Die unbefleckte Empfängnis eines welterobernden Krebses

Innerhalb von nur zwanzig Jahren hat sich ein einzigartiger, zur asexuellen Reproduktion befähigter Krebs in nahezu allen aquatischen Umgebungen ausgebreitet und entpuppte sich als eine überaus invasive Spezies. Inzwischen ist man dazu übergegangen die Entwicklung sowie Anpassung des kleinen Klonmonsters erforschen und besser verstehen zu wollen …

Ein Aquarium voll mit Krebsklonen

Ein im zeugungsfähigen Alter, etwa 13 Zentimeter großer Krebs erregte 1995 die Aufmerksamkeit der Biologen, als dessen Besitzer in Deutschland eines Tages überraschenderweise im gleichen Aquarium weibliche Klonen von offensichtlich ein und der gleichen Mutter vorfand. Deren Eier mussten offensichtlich nicht durch ein Männchen befruchtet werden. Schon sehr bald verstand man, dass die Natur Procambarus fallax denominata virginalis, den Marmorkrebs, augenscheinlich mit der Fähigkeit der Parthenogenese, einer Form der eingeschlechtlichen Fortpflanzung, die auch als Jungfernzeugung bezeichnet wird, ausgestattet hat. Es stellte sich heraus, dass der Marmorkrebs durch diese eingeschlechtliche Fortpflanzung einerseits zu einer äußerst aggressiven Form von invasiver Spezies wurde, die anderen autochthonen Spezies deren Lebensraum streitig macht. Andererseits könnte er nun unser Verständnis über die Entstehung und Ausbreitung von Krebs deutlich verbessern.

Eigentümlichkeit der Krebsklone

Eine bedeutende Studie und Analyse des Genoms(1) zeigte auf, dass alle weltweit existierenden Exemplare des Marmorkrebs von einer einzigen weiblichen Mutter abstammen und der Marmorkrebs somit der einzige Vertreter aus der Ordnung der Zehnfusskrebse (Decapoda) ist, der dazu befähigt ist, sich selbst klonen zu können und daher aus mehreren Gründen von großer Bedeutung ist:

  • seine Ausbreitung als invasive gebietsfremde Art ist besonders aggressiv, wodurch er in die EU-Liste invasiver gebietsfremder Arten aufgenommen wurde
  • der Ausbreitung der von ihm übertragenen Krebspest kann kaum entgegengewirkt werden
  • aufgrund der bei ihm wirkenden Parthenogenese dient er als Modell bei Forschungsstudien über bösartige Tumorzellen (Krebszellen) da deren Klonalität (Zellabstammung) bei der Metastasierung eine entscheidende Rolle zukommt

Trotz seiner Eigentümlichkeit, sich selbst reproduzieren zu können und der damit verbundenen nicht vorhandenen genetischen Vielfalt scheint der Marmorkrebs in seiner natürlichen Durchsetzungsfähigkeit in keinster Weise geschwächt. Stattdessen wurde in den letzten Jahren festgestellt, dass er große Gebiete in Deutschland, Italien, der Slowakei, Schweden und Japan sowie auf Madagaskar in Beschlag nahm, Kolonien in Süß- als auch Salzgewässern bildete und dabei andere autochthone Arten verdrängte.

Dem Geheimnis auf der Spur

Deutsche Wissenschaftler haben die DNA nun zum ersten Mal sequenziert und die Klonalität. d. h. den gemeinsamen Ursprung der untersuchten Exemplaren auf genetischer Ebene bestätigt. Die Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrums(2) in Heidelberg haben hierzu die Genome von 11 Marmorkrebsen, einschließlich der Nachkommenschaft aus dem berühmten deutschen Aquarium sowie Wildfängen aus Madagaskar (wo der Marmorkrebs gern gegessen wird) analysiert und festgestellt, dass es sich um genetische Abbilder (Klone) handelt, bei denen es jedoch kleinere, natürliche Unterschiede gibt. Das Genom des Marmorkrebses besteht aus 3.5 Milliarden Basenpaaren (7 % mehr als bei Menschen, bei dem es 3.27 Milliarden Basenpaare sind) mehr als 21.000 Gene wurden identifiziert.

Bedeutung für die Medizin

Die Abweichungen im genetischen Code der Marmorkrebse sind Folge der Interaktion mit ihrem natürlichen Lebensraum und manifestieren sich in unterschiedlichen Farben und Größen (Phänotyp). Von Erforschung dieser Abweichungen verspricht man sich im Allgemeinen ein besseres Verständnis über die Aktivierung oder Deaktivierung von Genen aufgrund von Umweltfaktoren, im Speziellen ein besseres Rollenverständnis der Epigenetik (im weitesten Sinne befasst sich die Epigenetik mit den Faktoren, die bei der Zellentwicklung eine Rolle spielen) bei Entstehung von Krebs, welche sich nicht auf intrinsische, d. h. durch innere Faktoren bedingte Veränderungen der DNA zurückführen lassen und daraus folgend, dem Vermögen eines Tumors, sich an seine Umwelt anzupassen. Ein weiteres Themengebiet ist die Resistenzentwicklung gegenüber pharmakologischen Produkten.

Eine Besonderheit der Marmorkrebse ist, dass sie tripoloid sind, d. h. drei Sets von Chromosomen aufweisen. Die meisten Tiere verfügen – wie der Mensch auch – lediglich über zwei Sets von Chromosomen, von denen üblicherweise eines von der Mutter und eines vom Vater weitergegeben wird. Man geht heute davon aus, dass die Triploidie ihren Ursprung in einer abnormen Eizelle oder Spermatozoon mit doppeltem Chromosomensatz hat. Bis heute ist unklar, ob die Parthenogenese die Konsequenz oder der Auslöser für die Fähigkeit der Selbstreproduzierbarkeit ist.

Ein anderer Teil der Studie durchleuchtet die ökologischen Auswirkungen der Parthenogenese im Falle des Marmorkrebses. Normalerweise werden Klone auf genetischer Ebene aufgrund der fehlenden gentischen Variation als schwach angesehen. Erstaunlich ist daher, dass sich der Marmorkrebs aktuell vor unseren Augen mit rasanter Geschwindigkeit in Gebieten ausbreitet, in denen er nicht endemisch ist. Beobachtungen und Aufzeichnungen der letzten 10 Jahren haben ergeben , dass sich auf Madasgaskar das Ausbreitungsgebiet des Marmorkrebses in den letzten 10 Jahren um das Hunderfache vergrößert hat.

Im Hinblick auf eine biblische Exegese wäre eine Parthenogenese eine glaubwürdige und vollkommen natürliche, wenn auch überaus seltene und „glückliche“ Erklärung für die unbefleckte Empfängnis Marias. Dennoch müsste die Bibel neu interpretiert werden, denn Jesus wäre ein genetisches Abbild Marias, das heißt:  ein Mädchen.


(1) https://www.nature.com/articles/s41559-018-0467-9
(2) https://www.dkfz.de/en/presse/pressemitteilungen/2018/dkfz-pm-18-07-A-clonal-crayfish-from-nature-as-a-model-for-tumors.php
Titelbild: Marmorkrebs (Procambarus fallax f. virginalis), Wildfang aus Süddeutschland, Wikipedia, Chucholl C.

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