Die unterschätzte Intelligenz der Schimpansen

Wer verfügt wohl über die ausgeprägteren sozialen Fähigkeiten? Ein menschliches Kleinkind aus der gut bürgerlichen Schicht der westlichen Welt oder aber ein ausgewachsener Schimpanse von knapp 20 Jahren? …

Und woher stammen überhaupt die Informationen, die zu dieser Erkenntnis oder Überzeugung führten?

Wir Menschen lernen immer mehr über Menschenaffen und müssen uns eingestehen, dass unsere Vorstellungen und Meinungen nicht immer objektiv sind. Trotz wissenschaftlicher Methodik.

Die Vorstellung, menschliche Kleinkinder verfügten über ausgeprägtere soziale Fähigkeiten als erwachsene Schimpansen, ist eine unmittelbare Folge aus Vorurteilen und fehlerhafter Methoden die jahrzehntelang angewendet wurden und schließlich zu wissenschaftlich unsauberen Studien führten. Offensichtlich wurden die Fähigkeiten als auch die Intelligenz von Schimpansen sehr unterschätzt.

Was geht in den Köpfen von Kleinkindern und Menschenaffen vor?

Schimpansen mögen über Intelligenz verfügen. Aber nicht in der Weise wie wir Menschen. Ein menschliches Kleinkind verfügt über ausgeprägtere kognitive Fähigkeiten als ein ausgewachsener Schimpanse. Die letzten 20 Jahre und Hunderte von Studien und Forschungsarbeiten haben wesentlich dazu beigetragen, dass wir Menschen eine gewisse Vorstellung darüber erhielten, wie das Gehirn von Primaten aufgebaut ist, wie es funktioniert und welche Fähigkeiten damit verbunden sind. Man stelle sich einmal vor, diese wissenschaftliche Überzeugung und öffentliche Meinung beruhe auf einer Mischung aus wenig wissenschaftlichen Vorurteilen und Fehlern in der wissenschaftlichen Methodik. Eine durch englische und US-amerikanische Wissenschaftlicher durchgeführte Studie(1), Anfang August 2017 veröffentlicht auf Animal Cognition, behauptet genau dies.

Die Gipfel der Evolution

Die feste Überzeugung, der Mensch throne auf dem evolutionären Gipfel der taxonomischen Unterfamilie der Homininae führte einerseits zur systematischen Überschätzung seiner Beurteilungsfähigkeit und andererseits aufgrund der Ignoranz gegenüber Unterschieden zwischen den einzelnen Spezies zu krassen Fehleinschätzungen die geistigen Anlage anderer Spezies betreffend. Die drei Autoren der University of Sussex, Portsmouth und der Georgia State University entnahmen hierfür einige Bespiele aus der Literatur.

Systematische Unwissenschaftlichkeit und fehlerhafte Kognition

So wird bspw. das Verhalten eines Schimpansen, wenn er auf ein weit entfernten Objekt deutet als mehrdeutig angesehen während die Geste beim Menschen als besondere Fähigkeit in Folge einer einzigartigen evolutionären Entwicklung unter den Lebewesen verstanden wird.

Irren ist menschlich! Auch die vermeintlich wissenschaftliche Vorgehensweise schützt uns Menschen nicht davor, unobjektiv zu sein.

In einer Reihe von Studien wurden Kleinkinder, aufgewachsen in westlichen Familien und einer bestimmten Form non-verbaler Kommunikation ausgesetzt, mit Schimpansen verglichen, denen dieser Einfluss durch das kulturelle Umfeld fehlte. Getestet und beurteilt – abermals anhand Normen westlicher Verhaltensweisen – schnitten die Kinder deutlich besser ab wobei es fraglich ist, ob das bessere Abschneiden auf einen durch evolutionäre Entwicklung bedingten Vorteil oder das einfache Erlernen innerhalb eines kulturbezogenen Kontext zurückzuführen ist. Andere Studien verglichen 12 Monate alte Kleinkinder mit 18 bis 19-jährigen Schimpansen ohne dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Schimpansen je nach Alter und Umfeld, in dem sie aufwachsen und Dinge erlernen andere Verhaltensweisen zeigen. Dem Prinzip nach zeigten alle Studien auf, dass einzig der Mensch in der Lage zu sein schien, mit dem absichtlichen Hinweisen auf ein entferntes Objekt eine beabsichtigte Botschaft und Bedeutung vermitteln zu wollen.

Wissenschaftliche Erkenntnis und Fehlerkorrektur

In neuester Zeit und anhand fehlerbereinigter Methoden konnte schließlich nachgewiesen werden, dass erwachsene Affen genauso wie menschliche Kleinkinder sehr wohl in der Lage sind, Informationen über entfernte Objekte zu vermitteln. Die nächste Frage, die sich in Folge jahrzehntelanger irriger Forschung und Erkenntnisgewinnung stellt ist die, wie man den entstandenen Schaden und dem damit einher gegangenen Unrecht entgegenwirken kann. Wie die Forscher der Studie darlegen sollte Schimpansen für weitere Forschung umgehend einem Cross-Fostering, einer Form zeitweiser Adoption durch Menschen, unterzogen werden. Auch wenn dieser Weg schwierig ist und kontrovers diskutiert wird zeigten bisherige Forschungsarbeiten, dass Primaten auf diese Weise ermöglicht wird, eine non-verbale Kommunikation entwickeln und erlernen zu können, die der menschlichen sehr ähnlich ist.

In wissenschaftlicher Hinsicht ist es notwendig sich auf Variablen zu beziehen, die für andere Wissenschaftler messbar und überprüfbar sind. Des Weiteren muss der Umstand berücksichtigt werden, dass Kleinkinder sowie Primaten einem kontinuierlichem Lernprozess ausgesetzt sind und daher stets auf dieselben Probanden zurückgegriffen wird. Nicht zuletzt spielt beim Vergleich von Primaten und Menschen auch die Verhältnismäßigkeit der gewonnen Daten eine gewichtige Rolle. Nicht selten wurden in der Vergangenheit für Studien Kleinkinder aus wohlhabenden, westlichen und gut ausgebildeten Familien benutzt, die in einer demokratischen Umgebung aufgewachsen sind. Eine Vorgehensweise, durch die der Mensch aus seiner Sicht zwar optimal repräsentiert wird, die im wissenschaftlichen, komparativen Kontext mit Primaten aufgrund der Idealisierung jedoch unzweckmäßig und zweifelhaft ist. Viele Studien – auch außerhalb der Primatenforschung – bedienen sich des Stereotyps und Idealbildes des gut ausgebildeten, wohlhabenden, westlichen und in einem demokratischen Umfeld aufgewachsenen Menschen.


(1) https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs10071-017-1119-1

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