Die Krankenakte von Graf Dracula
In den Legenden über jene Kreaturen, die allergisch gegenüber Sonnenlicht sind und zum Überleben Blutmahlzeiten benötigen werden Symptome einer seltenen Krankheit beschrieben, deren genetische Ursache entdeckt wurde …
Eine Krankheit und deren klinisches Bild
Porphyrien stellen eine Gruppe meist angeborener Stoffwechselerkrankungen dar, die den menschlichen Körper daran hindern, einen wesentlichen Bestandteil des Hämoglobins, den roten und eisenhaltigen Blutfarbstoff Häm b erzeugen zu können. Zusammen mit dem in den Erythrozyten (rote Blutkörperchen) vorkommenden Globin bildet Häm b das Hämoglobin, welches für den Transport von Sauerstoff verantwortlich und somit unerlässlich ist.
Porphyrien treten je nach genetischer Variante in verschiedenen Formen auf. Im Zuge der Veröffentlichung einer Studie in den Proceedings of the National Academy of Sciences PNAS(1) wird darauf hingewiesen, dass die Symptome eines Subtyps dieser Erkrankung entscheidend zur Mythenbildung der blutsaugenden und Sonnenlicht verabscheuenden Vampiren beigetragen haben könnten.
Der am häufigsten bereits im Kindesalter zwischen 1 und 10 Jahren auftretende und überwiegend autosomal dominant vererbbaren Subtyp der Erythropoetischen Protoporphyrie (EPP) zeichnet sich unter anderem durch eine sehr schmerzhafte Empfindlichkeit gegenüber Sonnenlicht aus, die in extremen Fällen sogar gegenüber künstlichem Licht besteht.
Die mangelhafte Bildung von Häm b und somit das Fehlen von Eisen im Blut führt in der Folge zu einer mikrozytären Anämie, einer Blutarmut, bei der die Erythrozyten abnorm verkleinert sind.
Während bei nicht pathologischen Ursachen zum Ausgleich des fehlenden Eisens die Einnahme von Eisenpräparaten ausreicht wird in schweren Verlaufsformen der Erythropoetische Protoporphyrie eine Bluttransfusion zur teilweisen Linderung der Symptome durchgeführt. Von einer langfristigen Anwendung von Bluttransfusionen wird jedoch abgeraten(2)
Weitere Symptome der Krankheit sind Blässe, Kraft- und Antriebslosigkeit in Folge der Anämie, im Kindesalter zeigt sich Hyperaktivität. Auffälligstes Merkmal ist jedoch die Meidung des täglichen Sonnenlichtes, zur Vorbeugung schmerzhafter Hautveränderungen an besonders exponierten Stellen wie Nase und Ohren oder Händen.
Ursachen der Erythropoetische Protoporphyrie und Lichtempfindlichkeit
Hauptursache der EPP sind genetische Defekte, die während der Hämsynthese die Bildung von Häm b aus Protoporphyrin IX und der Ferrochelatase hemmen und im weiteren Verlauf zu einer Anreicherung von Protoporphyrin IX in Leber und Roten Blutkörperchen führen.
Ohne die photochemischen Eigenschaften der Porphyrine (griech: porphyrá = purpur), die in Magnesium enthaltender, reduzierter Form zu Beginn des photochemischen Prozess der Photosynthese eine entscheidende Rolle einnehmen wäre einerseits Leben wie wir es kennen nicht möglich. Andererseits sorgt die Absorption elektromagnetischer Strahlung im Bereich des sichtbaren Lichtes sowie UV(A) (330 nm – 430 nm) bis hinab in die, größere Blutgefässe und Nerven enthaltene, Unterhaut (Subcutis) letztlich für eine Freisetzung freier Sauerstoffradikalen und anderen chemischen Stoffen, die in der Folge umliegendes Gewebe angreifen und zu jenen symptomatischen Schmerzen der Erythropoetische Protoporphyrie führen.
Legende und Forschung in der Wirklichkeit
In der Vergangenheit könnten diese Symptome in Verbindung mit der Einnahme tierischen Blutes als notwendiger Ersatz für nicht vorhandene Transfusionen, sowie dem Umstand, nur im Schutz der Dunkelheit Behausungen verlassen zu können, der Bildung von Geschichten und dem Aberglauben über Vampirismus Vorschub geleistet haben. Jenseits der Legenden und Mythen enthüllt die veröffentlichte Forschungsarbeit des Dana-Farber/Boston Children’s Cancer und Blood Disorder Center im US-Bundesstaat Massachusetts einen neuen biologischen Mechanismus, mit dessen Hilfe neue Behandlungsmethoden gegen EPP ermöglicht werden.
Barry Paw der Havard Medical School, einer der Autoren der Studie, kommentierte:
Although vampires aren’t real, there is a real need for innovative therapies to improve the lives of people with porphyrias.
Die neueste Forschungsarbeit
Einige genetische Varianten, die eine Anreicherung von Protoporphyrin IX als Folge haben sind ausreichend bekannt und beschrieben. Viele Fälle der Erythropoetische Protoporphyrie blieben bis heute jedoch unerklärbar. Anhand einer durchgeführten DNA-Sequenzierung bei mehreren an EPP erkrankten Mitgliedern einer Familie aus Nordfrankreich konnte eine bislang unbekannte Gensignatur nachgewiesen werden. Barry Paw und sein Team entdeckten eine neue Mutation des CLPX-Gens, welches bei der mitochondrialen Proteinfaltung eine wesentliche Rolle spielt(3).
Titelbild: Vlad III Drăculea, Quelle Wikipedia
(1) http://www.pnas.org/content/early/2017/09/01/1700632114
(2) Orphant Journal of Rare Disease https://ojrd.biomedcentral.com/articles?query=porphyry&volume=4&searchType=&tab=keyword
(3) http://www.pnas.org/content/114/38/E8045.abstract
(4) https://www.mpg.de/21261/Proteinfaltung
Schon wieder was mehr gelernt! Ein toller Text welchen du geschrieben hast.
Es ist schwierig über das Thema im Internet was zu
recherchieren.